Ein Beitrag von Sinja Woltemath und Thomas Faust
Die Dynamik am Arbeitsmarkt ist hoch. Jobprofile verändern sich und damit auch die Anforderungen an Skills und Fähigkeiten der Belegschaft. Wie können Unternehmen Arbeitsmarktanalysen nutzen, um quantitative und qualitative Anpassungen der Personalstruktur vorzunehmen? Welche Ansätze sind empfehlenswert, um die Workforce Transformation erfolgreich zu steuern?
Die Dynamik am Arbeitsmarkt nimmt zu. Die großen Trends wie E-Mobilität, Digitalisierung, Energiewende / Nachhaltigkeit, Alterung der Gesellschaft aber auch der Ausbau der Infrastruktur schaffen zum einen ganz neue Berufe und Tätigkeiten. Zum anderen sorgen sie dafür, dass Profile und Tätigkeiten ganz wegfallen können.
Auch unsere Studie zur Workforce Transformation aus 2020 bestätigt, dass sich bereits in den vergangenen drei Jahren bei jedem dritten Unternehmen bis zu 25% der Anforderungsprofile verändert haben. Bei einem weiteren Viertel waren es 26 bis 40% der Profile. Rund 15% der Unternehmen standen sogar vor der Herausforderung, dass sich mehr als 40% der Profile verändert haben. Nach Einschätzung der Unternehmen wird sich dieser Trend in ähnlichem Maße in den nächsten drei Jahren weiter fortsetzen.
Das führt dazu, dass Unternehmen sich einer neuen Herausforderung stellen müssen: dem Workforce Balancing Dilemma. Das bedeutet, dass veraltete Kapazitäten, also Beschäftigte mit Kompetenzen, die nicht mehr in der gleichen Menge benötigt werden, abgebaut und neue Kompetenzen aufgebaut werden müssen.
Arbeitsmarktanalysen ermöglichen einen qualitativen und quantitativen Blick in die Arbeitswelt der Zukunft. Unternehmen sind gut beraten, diese zu nutzen, um Chancen und Risiken für die Steuerung der eigenen Personalkapazitäten und Kompetenzen besser einzuschätzen. Ausgangspunkt ist die Definition der Zielgruppe: Für welche Zielgruppe sollen welche Informationen zur Verfügung gestellt werden? Welches Profil weist den größten Veränderungsbedarf auf? Wie können diese Profile innerhalb von Unternehmen bewegt werden? Was sind alternative Karriereoptionen?
Die Analyse umfasst zwei Dimensionen: Den Einzelnen, der einen Einblick über interne und externe Chancen und Risiken erhält und sich darüber aufklärt, was in Zukunft von ihm erwartet wird und Unternehmen, die den Umbau der Belegschaft aktiv steuern wollen.
Wenn die Zielgruppe erfasst ist, geht es darum die richtigen Quellen zu finden. Aktuell lassen sich immer mehr Informationen zur Entwicklung der zukünftigen Arbeitsmärkte und Fachkräfteengpässe gewinnen. „Global“ heißt es da oder „Future of Work“. Hier bieten etliche große Beratungsfirmen, Forschungseinrichtungen und das Weltwirtschaftsforum (WEF) gute Materialien. Für Deutschland haben die Bundesagentur für Arbeit und das QuBe Projekt (Qualifikationen und Berufe in der Zukunft) bereits Analysen geliefert, die Jobsuchenden in ihrer ganz persönlichen Neuorientierung helfen.
Der besondere Wert von Arbeitsmarktanalysen für Unternehmen und Personalverantwortliche liegt in der Einschätzung, ob in Berufen eine Über- oder eine Unterdeckung am Arbeitsmarkt herrscht, und wie diese sich in Zukunft entwickeln werden. Hier müssen auch die regionalen bzw. lokalen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Zudem lässt sich aus ihnen ableiten, welche Kompetenzen in Zukunft gefragt sind und welche weniger.
Unternehmen müssen planen, wie in Zukunft die Bestandsmannschaft aussehen soll.
Denn Unternehmen müssen ebenfalls (intern) einschätzen, bei welchen Jobs/Rollen es zu Überdeckungen und Unterdeckungen kommen wird. Und in der Folge wie die Chancen stehen, diese Unterdeckungen durch die Rekrutierung neuer Beschäftigter vom Arbeitsmarkt abzudecken oder Beschäftigte aus Bereichen mit Überdeckung am Arbeitsmarkt zu platzieren. Kurz gesagt: Unternehmen müssen planen, wie in Zukunft die Bestandsmannschaft aussehen soll und wie diese formiert werden kann.
All diese Informationen helfen dabei, bei einer Workforce Transformation die „Make oder Buy“ Entscheidungen zu treffen. Auch für Mitarbeiter ist es hilfreich, Informationen zu erhalten, welche beruflichen Alternativen zur Verfügung stehen und welche Weiterbildungsangebote bestehen, wenn sie sich in die entsprechende Richtung entwickeln wollen.
Die Frage, welche Anpassungen zukünftig in der Belegschaft bevor stehen werden, kann nicht pauschal beantwortet werden. Das hängt damit zusammen, dass Unternehmen unterschiedlich von den genannten Trends betroffen werden – und dann auch noch unterschiedlich darauf reagieren. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Studien, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, auch auf detaillierter Ebene. Allerdings kommen diese meist zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wenn wir einen destillierten Blick auf die Zukunft werfen, können wir folgendes sagen:
Ein Paradebeispiel dafür ist die E-Mobilität. Interessant wird aber auch der Blick auf den kompletten öffentlichen Verwaltungsbereich. Hier kommen mehrere Themen zusammen: Wir glauben, dass der Bedarf an Personal sich vergrößern wird, beispielsweise in Gesundheitsämtern oder in Schulen. Dadurch, dass die Verwaltungen auch massiv von Verrentungen betroffen sind - und das eher exponentiell steigend - wird sich der „Bruttopersonalbedarf“ noch viel mehr erhöhen. Gleichzeitig werden neue Technologien eingeführt werden, auch Lehrer müssen digital arbeiten können. Wenn Personalabteilungen das nicht richtig durchdenken und sich nicht darauf vorbreiten, führt das rasch zu Überforderungen, die dazu führen, weniger und/oder die falschen Mitarbeiter an Bord zu haben.
Biographien werden neugestaltet. Nach dem Motto „lebenslanges Lernen“ schlagen Arbeitnehmer immer wieder neue Richtungen ein, erlangen neue Kompetenzen und das in allen Altersstrukturen. Der Trend geht zur Mosaikkarriere. Es geht nicht mehr nur ums „Perfect Match“ sondern um die Offenheit & Motivation des einzelnen Individuums Neues zu lernen. Ebenso ist eine Mindset-Veränderung auf Seiten der Unternehmen notwendig, so dass ein potenzialorientiertes Matching an die Stelle des "Perfect Match" tritt und Multigrafien stattfinden können.
Wir können zwar noch nicht sagen, wie viele Kompetenzen in welchen Berufen in 5 Jahren gebraucht werden. Aufgrund der bisher vorliegenden Daten gehen wir aber davon aus, dass folgende Tätigkeiten in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden: Alles rund um (Advanced) IT, Technologie Design und Programmierung, Lernen, Kommunikation, Teamwork, kritisches Denken / Probleme lösen, Resilienz.
Alles was weniger durch Menschenhand ablaufen muss, grob mit einer Dateneingabe und Buchung zu tun hat, wird automatisiert und digitalisiert.
Wir raten Unternehmen dazu, sich Gedanken zu machen, wer die internen und externen Treiber für die Organisation sind. Sie sollten sich im Rahmen des Workforce Plannings die Frage stellen: Was ist unser Geschäftsmodell und wie möchten wir uns aufstellen? Aus diesen Fragen ergeben sich Chancen und Risiken. Je nachdem wie groß und wie kritisch diese Ergebnisse sind, muss das Thema Workforce Transformation profund und differenziert angegangen werden. Es entsteht ein neuer Geschäftsprozess, wodurch sich ein Rahmen ergibt aus Strategie, Instrumente, Organisation, Prozesse, IT, KPIs.
Die Zieledefinition von Skills und Kompetenzen, die im Unternehmen gebraucht werden, muss bekannt sein. Die Entwicklung der vorhandenen Skills und Kompetenzen sollten dafür simuliert werden, um Lücken zu identifizieren und darauf aufbauend Maßnahmen zum Ausgleich der Über- und Unterdeckungen zu beschließen.
Viele Workforce-Transformation-Projekte können ihr volles Potenzial noch nicht entfalten. Das hängt damit zusammen, dass es in Unternehmen zwar gute Programme und fähige Köpfe für die tatsächlichen Up- und Reskillingmaßnahmen gibt, aber hinsichtlich der Information und der Kommunikation der Mitarbeiter, Führungskräfte und Betriebsräte sowie der Mobilisierung der Mitarbeiter eher schlecht aufgestellt sind. Die Unternehmen tun sich schwer, die Planung in das Operative herunterzubrechen.
Führungskräfte sind der Dreh- und Angelpunkt. Sie müssen dem Mitarbeiter dabei helfen, den Veränderungsbedarf und das WHY beantworten zu können. WHY? – Warum sollten sich die Mitarbeiter auf die Veränderung einlassen, Zeit investieren und sich neue Kompetenzen aneignen? Bei dieser Frage fühlen sich viele Führungskräfte allein gelassen. Der Bedarf an Schulungen und Support ist mittlerweile sehr groß.
Leseempfehlung: Immer mehr Unternehmen setzen sich in Restrukturierungsprozessen auch mit dem Instrument des Qualifizierungsbetriebs auseinander. Warum Qualifizierungsbetriebe ein smartes Mittel sind, um die Workforce Transformation effektiv zu gestalten und die zukünftige Zielorganisation umzusetzen, erfahren Sie in diesem Beitrag von Christian Summa: >Smarte Transformation durch Qualifizierungsbetriebe
Der entscheidende Hebel für den Erfolg der Transformation liegt im Herunterbrechen der Pläne auf die Ebene der einzelnen Mitarbeitenden. Wir beobachten, dass aktuell viele Projekte an genau diesem Punkt scheitern. Doch welche Schritte sind notwendig, um aufzuzeigen, was eine auf den ersten Blick abstrakte Planung für den einzelnen Mitarbeiter konkret bedeutet?
Workforce Transformation Planungsworkshops
Für kleinere Unternehmen oder einzelne Abteilungen lohnt sich für den Einstieg ein Ansatz, der ohne Simulationen auskommt. Er basiert darauf, dass in einem Workshop Einschätzungen über Kapazität, Kompetenz, Alterungs- und Arbeitsmarktrisiken vorgenommen, Bewertungen gemacht und Maßnahmen vereinbart werden. Dabei wird sich in der Planung nur auf die wichtigsten Profile konzentriert. Mit diesem Modell kommt man schon in wenigen Wochen zu soliden Ergebnissen.
Workforce Transformation Planungen mit Jobs- und Jobfamilien und Planungen mit Skills
Beide Methoden haben Vor- und Nachteile. Je nach Unternehmensart, vorhandenen Informationen im Unternehmen und Genauigkeit der Ergebnisse, empfehlen wir eine andere Methode. Wir geben einen Überblick:
Die meisten Projekte laufen über Jobfamilien (Stellen mit ähnlichen Tätigkeiten) als Planungseinheiten. Dieser Ansatz hat viele Vorteile, führt aber gleichzeitig auch zu vielen Komplikationen. Jobfamilien sind etabliert in Unternehmen, sie müssen nicht erst analysiert werden, sie sind dokumentiert und werden von Unternehmen oft genutzt. Nachteile sind, dass die Aussagen und Ergebnisse der abstrakten Jobfamilien eher generalistisch sind und die Planungsergebnisse anschließend auf jeden einzelnen übersetzt werden müssen. Hinzu kommt, dass die Daten zu den Jobfamilien häufig nicht aktuell sind.
Inzwischen kann man auch mit Mitarbeiter-Skills planen, womit sich immanente Probleme lösen lassen. Dabei werden die Skills der einzelnen Mitarbeiter erfasst, um darauf aufbauend die Planung auszurichten: Wie ist der Ist und Soll- Zustand der Zukunft? Skill-Analysen helfen dabei, zu verknüpfen, welche Mitarbeiterprofile geeignet sind. Diese Methode ist sehr fair und gewährleistet Chancengleichheit. Jedoch scheuen viele Unternehmen hier den Aufwand, da die Skills erst einmal erfasst werden müssen. Auch das Thema Datenschutz zeigt sich als ein großes Problem. Bisher nutzen erst wenige Unternehmen und Anbieter diese Methode.
Sie möchten wissen, wie Sie Ihre Belegschaft optimal für die Zukunft austellen können? In unserem Workforce Planning Workshop analysieren wir Ihren Status-Quo und finden heraus, wie Sie Ihr Unternehmen auf die Zukunft vorbereiten. Kontaktieren Sie uns gerne.
Über die Autoren
Thomas Faust
Thomas Faust hat sich in seiner internationalen Beraterlaufbahn auf die Themen Zukunft der Arbeit, strategisches Workforce Management und Restrukturierung spezialisiert. Sein besonderes Interesse gilt der Analyse und Bewertung des Human Capital Managements. Seine Branchenerfahrungen reichen vom Finanzsektor über Energiewirtschaft, Maschinen- und Anlagenbau, Logistik bis hin zum Handel. Bei von Rundstedt entwickelt er maßgeblich das Beratungsportfolio für die Workforce Transformation mit.
Telefon: +49 211 8396 54 4 E-Mail: faust@rundstedt.de
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