Digitaler Wandel: Jeder hat die Chance, die neue Arbeitswelt mitzugestalten

Der digitale Wandel verändert alles, auch die Arbeitswelt. Die Geschwindigkeit ist rasant. In einigen Aufgabenfeldern werden Roboter Aufgaben übernehmen, die heute noch von Menschen ausgeführt werden. In anderen Bereichen entstehen ganz neue Berufe. Welche Eigenschaften benötigen Mitarbeiter, um angesichts dieser Auswirkungen der Digitalisierung gut im Arbeitsmarkt aufgestellt zu sein? Ein Interview mit Prof. Dr. Jutta Rump.

 

Unternehmen im digitalen Wandel

 

Wie erleben Sie als Wissenschaftlerin die Unternehmen im digitalen Wandel?

Prof. Dr. Jutta Rump: Das Thema digitaler Wandel unterteilen wir mittlerweile in vier Dimensionen: Technologie, Geschäftsmodelle, Wertschöpfungsketten und Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Mehr und mehr Unternehmen beschäftigen sich mit der Technologie und dem Geschäftsmodell. Auch in der dritten Dimension passiert eine Menge: Unternehmen fragen sich, wie sie ihre Leistungsketten aufbauen und eine Produktion gestalten, in der Maschinen und Roboter miteinander kommunizieren und sich koordinieren. Aber hinsichtlich der vierten Dimension, also der Veränderungen der Arbeitswelt, ist die Reaktion der Unternehmen eher verhalten. Das macht uns Sorge, da wir das Thema für sehr zentral und langfristig halten. Hier kann ich nicht einfach den Schalter umlegen, denn es geht um Menschen, Arbeits- und Lebenskontexte. Das bedeutet, dass wir einen langen Atem brauchen, um Menschen in diese Transformation mitzunehmen und ihnen Orientierung zu geben.

 

Menschen im digitalen Wandel

 

Lassen Sie uns genauer auf die Mitarbeiter schauen. Als Karriere-Experten sehen wir, dass Selbstverantwortung immer wichtiger wird. Was brauchen Menschen aus Ihrer Sicht, um sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auseinanderzusetzen und die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen?

Prof. Dr. Jutta Rump: Wir haben vor einiger Zeit ein Anforderungsprofil für den Mitarbeiter der Zukunft aufgestellt. Da tauchen dann Dinge auf wie

  • IT-Grundkompetenz und mediale Kompetenz
  • Entscheidungs- und Koordinationsfähigkeit
  • Eigenverantwortung und Eigeninitiative
  • teamübergreifend zu agieren
  • Veränderungsbereitschaft
  • Lernfähigkeit
  • eine Grundhaltung des Optimismus
  • Selbstmanagement

Das ist ein Profil nach dem Typ eierlegende Wollmilchsau. Wenn man das dann noch mit den Aufgaben kombiniert wie

  • gestaltend im Tagesgeschäft,
  • strategisch denkend,
  • kulturell adaptionsfähig,
  • eigener Personalentwickler

liest sich das theoretisch toll. Aber wer soll das eigentlich sein?

 

Im Privatleben zeigen wir alle wichtigen Zukunftskompetenzen. Warum gibt es diesen großen Unterschied zum Berufsleben?

 

Ich habe herausgefunden, dass das Grundhaltungen und Grundkompetenzen sind, die jeder von uns hat. Wenn wir den Blick vom beruflichen in den privaten Alltag schweifen lassen, dann zeigen Menschen dort all diese Qualitäten. Sie managen ihr Privatleben, betreiben ein Hobby, pflegen Freundschaften, planen den Urlaub. Das sind genau die genannten Kompetenzfelder.

Wir sind veränderungsbereit und lernfähig. Wir zeigen Eigenverantwortung und Initiative. Wir nehmen andere mit und achten auf sie. Wir gehen im Internet einkaufen, nutzen Apps. Warum gibt es dann diesen großen Unterschied zum beruflichen Alltag?

Ich glaube, das hat sehr viel damit zu tun, dass Mitarbeiter häufig das Gefühl haben, nicht nach ihren Stärken und Talenten eingesetzt zu sein.

 

Um sich als Mitarbeiter auf die Transformation vorzubereiten, ist aber das genau die Kernfrage: Wie kann ich meine Stärken und Talente einsetzen?

 

Für den Einzelnen bedeutet das, sich klar zu machen, woran er oder sie Freude hat, denn dort liegen die individuellen Stärken. Wie kann ich meinen Werdegang einmal vor dem Hintergrund meiner Stärken und Talente beschreiben? Wie kann ich in den Austausch gehen? Dafür braucht es natürlich Mut.

 

Persönliche Kompetenzen in der Berufswelt

 

Es geht also darum als ganzer Mensch zur Arbeit zu gehen. Die Industriegesellschaft hat ja eher dazu geführt, dass der Mensch sich bei der Arbeit reduziert hat. Da liegt doch jetzt eine echte Chance.

Prof. Dr. Jutta Rump: Genau, das ist die große Chance. Wir verlassen die industrielle Gesellschaft. Die kleinen Arbeitsschritte übernehmen jetzt Roboter und Algorithmen. Das heißt, wir gehen zurück in das ganzheitliche Menschenbild. Das ist doch eine tolle Botschaft! So können wir es schaffen, die Arbeitswelt positiv zu gestalten. Und nur so können wir es angesichts der demografischen Entwicklung schaffen, länger leistungsfähig zu arbeiten. Ansonsten geht mir nämlich zwischendurch die Puste aus.

 

Wir haben über Chancen gesprochen und über berechtigten Optimismus. Welches sind die Risiken auf dem persönlichen Level?

Prof. Dr. Jutta Rump: Wir sollten ein Tabu brechen. Digitalisierung wird neue Jobs schaffen, aber es werden auch Jobs wegfallen. Wir werden dort negative Beschäftigungseffekte haben, wo wir manuelle und kognitive Tätigkeiten haben, die von einem Algorithmus übernommen werden können. Das nehmen Menschen natürlich wahr und führt zu diffusen Ängsten und zum Festhalten.

Ich plädiere für Fairness. Lassen Sie uns doch mit den Menschen offen sein und mit ihnen über die Risiken, aber auch die Perspektiven sprechen! Interessant ist doch, dass an anderer Stelle im Unternehmen neue Arbeitsplätze entstehen. Aber es wird nicht so funktionieren, dass alle gemeinsam ein Seminar besuchen, sondern um Einzelförderung gehen.

Über die Interviewpartnerin

Dr. Prof. Jutta Rump

Direktorin

Prof. Dr. Jutta Rump forscht rund um die Auswirkungen des digitalen Wandels. Die Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE) zählt zu den „40 führenden Köpfen des Personalwesens“ (Zeitschrift Personalmagazin) und zu den 10 wichtigsten Professoren für Personalmanagement im deutschsprachigen Raum.