Das atmende Unternehmen: Warum Sie bei der Fremdpersonal-Compliance nicht nachlässig sein dürfen

Die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen erfordern flexible Personallösungen. Viele Unternehmen greifen dazu auf Fremdpersonal zurück, das sie je nach Bedarf beauftragen. Beispiele sind Leistungen auf Basis von Werkverträgen direkt vor Ort im Betrieb, der Einsatz von Freelancern oder die Einstellung von Leiharbeitnehmern. Damit sind jedoch erheblich Compliance-Risiken verbunden: Vor allem die Einordnung von Werkverträgen als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung und die Einstufung von Freelancern als tatsächlich Angestellte kann bekanntlich weitreichende Folgen haben.

Es drohen Bußgelder sowie die Strafverfolgung von Geschäftsführung und Vorstand wegen Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Schon bei geringen Beträgen kommen empfindliche Geldstrafen, ab sechs- oder gar siebenstelligen Beträgen auch Haftstrafen, in Betracht. Darüber hinaus müssen die hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern nachgezahlt werden bzw. Unternehmen müssen dafür haften. Durch hohe gesetzliche Zinsen und Säumniszuschläge können hier über die Jahre erhebliche Summen zustande kommen. Schließlich droht auch der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Checkliste: Compliance bei Werkverträgen und Freelancern

Zur Vermeidung solcher Risiken ist eine Fremdpersonal-Compliance unerlässlich. Unternehmen, die regelmäßig oder in größerem Umfang Fremdpersonal einsetzen, sollten bereits bei der Vertragsanbahnung klare Prozesse schaffen, die den rechtssicheren Einsatz gewährleisten. Bei Werkverträgen und Freelancern geht es im Wesentlichen darum, dass das Fremdpersonal nicht wie die eigenen Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert und weisungsgebunden ist. Folgendes Flowchart stellt einen typischen Prüfungsprozess dar. Je nach Sachverhalt wird entschieden, ob Beauftragungen durch Werkverträge und Freelancer oder als Arbeitnehmerüberlassung erfolgen können:

So wird anhand der beabsichtigen Leistung des Fremdpersonals geprüft, ob das Fremdpersonal wie eigene Arbeitnehmer in die eigene Arbeitsorganisation eingebunden ist, oder ob es im Wesentlichen selbständig und getrennt von der eigenen Stammbelegschaft agiert. Gibt es Hinweise dafür, dass das Fremdpersonal eingegliedert ist, wird der geplante Einsatz anhand einer detaillierteren Checkliste genau geprüft. Daraus ergibt sich, welche Art des Einsatzes rechtlich am geeignetsten ist. Während der anschließenden Durchführung ist regelmäßig zu prüfen, ob die Voraussetzungen im Zeitverlauf auch weiterhin erfüllt sind.

 

Komplexe Kriterien: Strategien gegen Compliance-Fallen

Die Beurteilungskriterien für eine Eingliederung sind komplex. Es gibt inzwischen dutzende Kriterien, die zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen sind. Die Arbeits- und Sozialgerichte überraschen mit immer neuen Urteilen, die dann meist im Sinne der Eingliederung ausfallen. Hinzu kommen weitere Herausforderungen durch kollaborative und neue Arbeitsweisen wie Scrum oder Plattformarbeit. Betroffenen Unternehmen kann nur geraten werden, ihre Fremdpersonal-Compliance ernst zu nehmen und sorgfältig zu entwickeln. Insbesondere müssen die Unternehmen ihre Strategie zur Fremdpersonal-Compliance dieser Komplexität anpassen, alle betroffenen Unternehmensbereiche in die Strategie mit einbeziehen und ihre Verträge entsprechend ausrichten. Darüber hinaus empfiehlt es sich, bereits jetzt Verteidigungskonzepte für den Fall kritischer Prüfungen zu entwickeln: Die Compliance-Strategie und ihre tatsächliche Umsetzung sollten gut dokumentiert und vorzeigbar sein. Typische Fragen der Behörden sollten antizipiert werden, Antworten bereitgehalten und die tatsächlichen Gegebenheiten nachweisbar darauf ausgerichtet werden.

Über den Autor

Dr. Ralph S. Panzer

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Dr. Ralph S. Panzer ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner im Münchener Büro der internationalen Anwaltskanzlei Bird & Bird. Er berät nationale und internationale Mandanten auf dem gesamten Gebiet des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Die Themen reichen von täglichen arbeitsrechtlichen Fragen, der Überlassung von Fremdpersonal z. B. durch Werkverträge bis hin zu komplexen Projekten wie Restrukturierungen, ggf. deren Koordinierung auf internationaler Ebene, das Aufsetzen von Transfergesellschaften, die Begleitung von Outsourcings und Betriebsübergängen oder Unternehmenskäufe.