Personaldrehscheibe - Flexibilität in der Transformationskrise.

 

 

Der Begriff „Personaldrehscheibe“ erfreut sich wachsender Popularität, aber zugleich scheint sich auch seine Deutungsvielfalt 
zu erhöhen. Daher lohnt es sich genauer zu betrachten, welche Ansätze und Instrumente sich hinter diesem Begriff verbergen.

Der Begriff tauchte bereits Mitte der 90er Jahre in der Diskussion von Arbeitsmarktexperten und Sozialwissenschaftlern auf.  Zu dieser Zeit wurde die Wirtschaft im Westen der Bundesrepublik von einer ernstzunehmenden Strukturkrise erschüttert, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Industriearbeitsplätze wurden damals im großen Stil an kostengünstigere Standorte im Ausland verlagert. In der Krise der frühen 2000er Jahre experimentierten Großunternehmen mit Personaldrehscheiben als Alternative zum klassischen Personalabbau. 

 Gegenwärtig arbeiten größere Unternehmen, Agentur für Arbeit, Beratungshäuser und Gewerkschaften an einer grundlegenden Weiterentwicklung des Instruments. Die Personaldrehscheibe wird heute bereits in zwei unterschiedlichen Konfigurationen erfolgreich eingesetzt und dabei kontinuierlich weiterentwickelt: 

  1. Betriebliche Personaldrehscheibe
  2. Überbetriebliche Personaldrehscheibe

Die betriebliche Personaldrehscheibe

Im Rahmen einer personalwirtschaftlichen Transformation setzen größere Unternehmen die betriebswirtschaftliche Personaldrehscheibe ein. 

 Diese ist im Vergleich zu einer klassischen Restrukturierung anspruchsvoller. Dabei spielt die gleichzeitige Umsetzung von Personalabbau und -umbau eine wichtige Rolle.  In der Regel wird der Großteil der Beschäftigten in den betroffenen Bereichen in den externen Arbeitsmarkt vermittelt, während ein kleinerer Teil eine neue Aufgabe in anderen Geschäftsbereichen bzw. Tochtergesellschaften des Unternehmens findet. Die betriebliche Personaldrehscheibe wird maßgeblich vom HR-Bereich gestaltet und administriert. Dabei kann der HR-Bereich von einem externen Beratungshaus unterstützt werden. 

Vielfältige Ausbaustufen 

Die Ausbaustufen der Personaldrehscheibe unterschieden sich deutlich voneinander. Einige Personaldrehscheiben fokussieren sich darauf, passende Vakanzen für die Skillprofile der betroffenen Beschäftigten anzubieten, die bei anderen Unternehmen aktiv eingeworben werden. So werden beispielsweise Arbeitnehmer in der Automobilindustrie mit passenden Stellenangeboten in der Wehrindustrie vertraut gemacht, die sich in einer starken Wachstumsphase befindet. Breiter aufgestellte Personaldrehscheiben in der Trägerschaft von Großunternehmen integrieren Karrierecoaching und Qualifizierungsberatung, um den beruflichen Neustart auf dem externen Arbeitsmarkt optimal zu unterstützen. Diese Dienstleistungen werden in den meisten Fällen von erfahrenen Partnern für Outplacement-Beratung und Weiterbildung übernommen. Daher spielt hier die gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen der Personalabteilung und den externen Beratern und Dienstleistern eine entscheidende Rolle für den Erfolg. 

Die Transformationseinheit als erweiterte Form

In ihrer höchsten Ausbaustufe wird die betriebliche Personaldrehscheibe häufig auch Transformationseinheit genannt, da hier eine intensive Betreuung und Beratung der Beschäftigten erfolgt. Dabei ist die Transformationseinheit kein starres Konstrukt, sondern sie kann flexibel an den Bedarf des Unternehmens angepasst werden. Einige Unternehmen bevorzugen die befristete Entsendung ihrer Arbeitnehmenden in eine betriebsorganisatorische Einheit mit eigener Führungsstruktur, um sie komplett für einen bestimmten Zeitraum vollständig aus dem bisherigen operativen Bereich herauszunehmen. Das ermöglicht eine optimale Konzentration auf die berufliche Neuorientierung innerhalb oder außerhalb des Unternehmens und auf die dafür notwendige Qualifizierung. Die Arbeitnehmenden werden umfassend beraten, wie auch im fortgeschrittenen Alter ein Wechsel in eine andere Branche gelingen kann, die mittelfristig bessere Perspektiven bietet.  Andere Unternehmen schätzen dagegen die dezentrale Betreuung der Beschäftigten durch die Transformationseinheit. Dabei verbleiben die Arbeitnehmenden in der Führungsstruktur ihrer bisherigen Arbeitsbereiche und werden ganz oder teilweise für Karrierecoaching und Qualifizierung freigestellt. 

Die betriebliche Personaldrehscheibe ist daher eine sehr gute Ergänzung zu klassischen Freiwilligenprogrammen. Letztere stoßen gegenwärtig im Fall von Branchentransformationen, wie sie in der Automobil- und Stahlindustrie stattfinden, an ihre Grenzen. 

Die überbetriebliche Drehscheibe

Im Unterschied zur betrieblichen Personaldrehscheibe als größerer Investition eignet sich die überbetriebliche Personaldrehscheibe auch für mittelständische Unternehmen. Denn deren Betrieb und Organisation werden komplett von einem externen Plattform-Anbieter übernommen und die Nutzung erfolgt über flexible Gebührenmodelle. 

Es gibt hier unterschiedliche Konzepte. So bietet die Agentur für Arbeit schrittweise regionale Arbeitsmarktdrehscheiben an, während spezialisierte Beratungshäuser wie z. B. von Rundstedt überbetriebliche Personaldrehscheiben in Schwerpunktregionen der industriellen Transformation betreiben, wie z. B. im Großraum Stuttgart.

 Für den Erfolg einer überbetrieblichen Personaldrehscheibe ist die Integration einer möglichst großen Anzahl von Unternehmen entscheidend, die in derselben Region Personal abgeben oder aufnehmen möchten. Oft werden Unternehmen dabei sowohl Mitarbeitende bestimmter Jobprofile abgeben als auch Arbeitnehmende mit Qualifikationen aufnehmen wollen, die für die Transformation des Geschäftsmodells dringend benötigt werden. 

Ein weiterer großer Vorteil einer überbetrieblichen Personaldrehscheibe ist neben der optimalen Abdeckung des regionalen Arbeitsmarktes die digitale Optimierung und das KI-basierte Matching von Bewerberprofilen und Vakanzen durch den Plattformbetreiber. Je nach Schwierigkeitsgrad der externen Vermittlung von Mitarbeitenden bzw. der Rekrutierung von stark gesuchten Bewerberprofilen haben Unternehmen die Möglichkeit, Mitarbeitende darüber hinaus ergänzend durch Karrierecoaching zu unterstützen. Das Coaching ist auch virtuell möglich.

Fazit


Sowohl die betriebliche als auch die überbetriebliche Personaldrehscheibe haben das Potential, Unternehmen in den nächsten Jahren bei ihrer Transformation von Business und Workforce zu unterstützen. Damit tragen beide Ansätze zur doppelten Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Beschäftigten bei.

Über den Autor

Sophia von Rundstedt

Chief Executive Officer

Sophia von Rundstedt ist eine der führenden Expertinnen für Workforce Transformation in DACH. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin der gleichnamigen Beratung für Personalveränderung, die ihr Vater vor 40 Jahren gegründet und im Outplacement zum deutschen Marktführer gemacht hat. Von Rundstedt berät Unternehmen bei der Konzeption und Umsetzung von Personalumbau und -abbau und hat bis heute mehr als 500 Projekte erfolgreich begleitet. Sophia von Rundstedt wird von der Überzeugung angetrieben, dass in jeder Veränderung eine große Chance liegt.