Annahmeverzugslohn nach Kündigung – wie Arbeitgeber die Ansprüche abwehren können

Während eines Kündigungsschutzprozesses mit ehemaligen Mitarbeitenden besteht für Arbeitgeber vor allem eine Gefahr: das Annahmeverzugslohnrisiko. Oft lassen sich Personaler daher auf hohe Abfindungszahlungen ein, um das Risiko von Lohnnachzahlungen auszuschließen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit einem aktuellen Urteil die Verhandlungsposition der Arbeitgeber enorm gestärkt. Mit der richtigen Vorgehensweise lassen sich Annahmeverzugslohnansprüche ehemaliger Arbeitnehmer sogar ausschließen. 

Die Ausgangslage: Risiko Annahmeverzugslohn

Es ist die klassische Lage nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung: Der ehemalige Arbeitnehmer erhebt Kündigungsschutzklage und stellt die Wirksamkeit der Kündigung in Frage. Das Ziel der Kläger ist dabei nur selten die Rückkehr an den Arbeitsplatz; vielmehr soll mittels der geschaffenen Unsicherheit eine (hohe) Abfindung herausgehandelt werden.

Je nach Erfolgsaussichten der Klage ist es aus wirtschaftlicher Unternehmenssicht häufig sinnvoll, eine bestimmte Abfindungszahlung zu akzeptieren. Auf diese Weise verhindern Arbeitgeber, dass der Mitarbeitende in den Betrieb zurückkehrt. 

Außerdem umgeht der Arbeitgeber, dass der zwischenzeitlich eingestellte Lohn auf einmal als sogenannter „Annahmeverzugslohn“ nachbezahlt werden muss. Je länger der Kündigungsschutzstreit dauert, desto höher fällt dieses Risiko aus. Insbesondere wenn das Verfahren in die zweite Instanz geht, können sich Annahmeverzugslohnansprüche der Mitarbeitenden von mehreren Monats- oder Jahresgehältern ansammeln.

Mit fortschreitender Zeit wurde die Verhandlungsposition für Personaler daher immer schlechter. Der Grund: Die Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer die Anrechnung eines böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes entgegenzuhalten, war bisher eher theoretischer Natur. Immerhin hat der Arbeitgeber meist keine Kenntnis über etwaige Verdienstmöglichkeiten oder Bewerbungsbemühungen des klagenden Mitarbeitenden. Doch das ändert sich künftig aufgrund einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.

Was ist ein Annahmeverzugslohn?

Ein Annahmeverzugslohn muss vom Arbeitgeber gezahlt werden. Er kann zum Beispiel nach einem Kündigungsschutzprozess fällig werden, wenn dessen Urteil ist, dass die ausgesprochene Kündigung nicht rechtskräftig und damit nicht wirksam war. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich fortbestand. 

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Das Bundesarbeitsgericht stärkt den Arbeitgebern den Rücken

Mit Urteil vom 27. Mai 2020, Az.: 5 AZR 287/19 hat das Bundesarbeitsgericht die Abwehr drohender Annahmeverzugslohnansprüche erleichtert. Nach Ansicht der Richter stehe Arbeitgebern ein Auskunftsanspruch über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters gegenüber dem Mitarbeitenden zu. 

 

Arbeitnehmende sind gegenüber dem Arbeitgeber zur Auskunft verpflichtet.

Unterlassener Erwerb und Auskunftspflicht

Hat sich der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung arbeitssuchend gemeldet, werden ihm von der Arbeitsagentur und dem Jobcenter zumutbare Jobangebote unterbreitet. Nimmt der Arbeitnehmer diese ohne triftigen Grund nicht wahr, hat er es im Sinne des Gesetzes böswillig unterlassen, anderweitig für Erwerb zu sorgen. Dieser unterlassene Erwerb ist auf den Annahmeverzugslohnanspruch anzurechnen und kann diesen sogar gänzlich ausschließen.

Da der Arbeitgeber von den Angeboten der Sozialeinrichtungen keine Kenntnis hat, ist der Arbeitnehmer zur Auskunft verpflichtet. Dabei hat die Auskunft die Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung des Vermittlungsvorschlages zu enthalten und muss in Textform erteilt werden. 

 

Fazit: Die Verhandlungsstärke in Kündigungsprozessen ist neu verteilt

Der vom Bundesarbeitsgericht kreierte Auskunftsanspruch klingt zwar zunächst unspektakulär, dennoch hat er bei richtiger Ausnutzung im Prozess eine große Sprengkraft. Erteilt der Arbeitnehmer auf Nachfrage des Unternehmens keine ausreichende Auskunft über Jobangebote der Arbeitsagentur oder kann er deren Ablehnung nicht ausreichend begründen, entfällt der Annahmeverzugslohn. Damit sinkt das wirtschaftliche Risiko für den Arbeitgeber und steigt zugleich für den klagenden Arbeitnehmer.

Bisher lässt das Bundesarbeitsgericht offen, unter welchen Umständen ein Arbeitnehmer rechtmäßig die ihm angebotenen Stellen ausschlagen kann. Personaler haben die Chance auch während des Klageverfahrens den gekündigten Arbeitnehmer auf zumutbare, offene Stellen auf dem Markt hinzuweisen und Stellenanzeigen zu senden. Diese hat der Arbeitnehmer laut dem Urteil grundsätzlich in Betracht zu ziehen, um nicht seinen Annahmeverzugslohnanspruch zu verlieren. 

Über den Autor

Dr. Martin Kupka

Fachanwalt für Arbeitsrecht & Partner

Dr. Martin Kupka, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Rechtsanwälte Kupka & Stillfried in München berät und vertritt seit fast 20 Jahren Arbeitgeber und Arbeitnehmer in allen Fragen des Arbeitsrechts. Er war selbst mehrere Jahre in einem internationalen Konzern tätig, zunächst in der Personalabteilung und später als Leiter der Rechtsabteilung.

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