So berechnen Sie als Arbeitgeber die Abfindungshöhe

Für HR-Verantwortliche, Arbeitsrechtlerinnen und Arbeitsrechtler gehört die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zur täglichen Arbeit. Damit einher gehen fast immer Verhandlungen über eine Abfindung. Für Sie als Arbeitgeber gilt es, das richtige Maß zu finden. Einerseits sollen Betroffene der Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses zustimmen, andererseits soll die finanzielle Belastung des Unternehmens möglichst gering sein. 

Gesetzliche Regelungen zur Abfindung

Auf Arbeitgeberseite wird häufig die Befürchtung formuliert, der Arbeitnehmer könne eine Abfindung einklagen oder das Arbeitsgericht werde eine Abfindung von sich aus festlegen. Diese Befürchtungen sind in aller Regel jedoch unbegründet. Abgesehen von wenigen Ausnahmefällen gibt es im deutschen Recht keinen gesetzlichen Abfindungsanspruch und auch keine verbindlichen Vorgaben zur Abfindungshöhe. In diesem Punkt unterscheidet sich unsere Rechtsordnung maßgeblich vom Recht anderer Staaten.

Abfindung als Instrument zur gütlichen Einigung

Nach dem Kündigungsschutzgesetz ist eine Kündigung entweder wirksam und es gibt keinen Abfindungsanspruch. Oder die Kündigung ist unwirksam und das Arbeitsverhältnis muss – nach den Buchstaben des Gesetzes – fortgesetzt werden. Dieses „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ ist sowohl für Sie als auch für Arbeitnehmende mit erheblichen Risiken verbunden. Daher streben die Parteien zumeist eine gütliche Einigung an, sei es schon vor Ausspruch einer Kündigung oder erst im laufenden Kündigungsschutzprozess. Über die Höhe der Abfindung müssen sich die Parteien dann im Verhandlungswege einigen.

Regelabfindung als Faustformel

In der Praxis bietet es sich an, zunächst die sogenannte Regelabfindung nach der Faustformel zu berechnen: halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. 

Ein Mitarbeiter, der seit zehn Jahren beschäftigt ist und 2.000 Euro brutto pro Monat verdient, hat nach der Faustformel Anspruch auf eine Abfindung von 10.000 Euro brutto. Diese Faustformel ist aber nicht bindend. Sie bildet nur den Ausgangspunkt für die weiteren Verhandlungen. So müssen Sie mit Ihrem Mitarbeiter vielfach klären, was unter einem Bruttomonatsgehalt zu verstehen ist und wie die Betriebszugehörigkeit berechnet wird. 

Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld können dem Monatsgrundgehalt anteilig hinzugerechnet werden. Zwingend ist dies aber nicht. Hinsichtlich der Beschäftigungsdauer ist es möglich, nur ganze Beschäftigungsjahre zu zählen. Üblich ist es jedoch, die Beschäftigungsdauer monatsgenau zu berechnen.

Abfindungshöhe: Abweichen von der Regelabfindung

Die Parteien haben es in der Hand, von der Faustformel zur Berechnung der Regelabfindung nach Belieben abzuweichen, und zwar sowohl zugunsten des Arbeitgebers „nach unten“ als auch zugunsten der Arbeitnehmenden „nach oben“. 

Im Falle der rechtswirksamen Kündigung 

Maßgeblich ist dabei in erster Linie die Frage, ob die von Ihnen als Arbeitgeber in Aussicht gestellte oder schon ausgesprochene Kündigung rechtswirksam ist. Ist dies überwiegend wahrscheinlich, befinden Sie sich in einer komfortablen Situation. Würden Sie es in diesem Falle auf einen Rechtsstreit ankommen lassen, müssten Sie bei einem Obsiegen gar keine Abfindung zahlen. In dieser Situation können Sie als Arbeitgeber eine geringe Abfindungshöhe aushandeln. Ihnen kommt hier zugute, dass es keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung gibt. 

Im Falle der unwirksamen Kündigung 

Ist die Kündigung hingegen voraussichtlich unwirksam, wird der Arbeitnehmer eine höhere Abfindung verlangen. Denn er weiß, dass Sie sich von ihm trennen möchten, es aber einseitig nicht können. Zudem besteht für Sie als Arbeitgeber das Risiko des Annahmeverzugs. Dauert der Rechtsstreit länger als die Kündigungsfrist, müssen Sie – nach dem verlorenen Kündigungsschutzprozess – die gesamte rückständige Vergütung im schlechtesten Falle nachzahlen.

Risiken abwägen

In der Praxis besteht die Herausforderung darin, die Risiken eines möglichen Kündigungsschutzprozesses abzuschätzen. Hier müssen Sie zu einer realistischen Einschätzung gelangen. Die Faustformel findet in aller Regel Anwendung, wenn die Risiken beider Parteien gleich zu gewichten sind. Überwiegen hingegen die Chancen einer Partei, kann dies ein Abweichen von der Faustformel rechtfertigen.

Zudem müssen Sie für sich bewerten, ob Sie bei einem Scheitern der Vergleichsverhandlungen überhaupt einen Kündigungsschutzprozess führen wollen. Aus Personalführungssicht kann es gute Gründe sowohl dafür als auch dagegen geben. Daneben ist die zeitliche Komponente zu beachten: Zieht sich der Rechtsstreit durch mehrere Instanzen, können bis zu einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung einige Jahre vergehen. Der Rechtsstreit kostet Zeit und Geld und bindet Kapazitäten. Erfahrungsgemäß lässt bei vielen Arbeitgebern das Interesse an einem Prozess mit der Zeit deutlich nach. War der Ärger anfangs noch groß, erlangt mit der Zeit die wirtschaftliche Betrachtung ein immer größeres Gewicht.

Faktoren, die die Abfindungshöhe beeinflussen

Neben den Erfolgsaussichten in einem möglichen Rechtsstreit gibt es eine Vielzahl weiterer Aspekte, die ein Abweichen von der Regelabfindung begründen können.

Geringes Gehalt und kurze Betriebszugehörigkeit vs. lange Betriebzugehörigkeit

Von Bedeutung ist unter anderem, welcher konkrete Euro-Betrag sich bei der Anwendung der Faustformel ergibt. Bei Mitarbeitenden, die ein geringes Gehalt beziehen und vergleichsweise kurz für das Unternehmen tätig waren, kann die Faustformel zu einem sehr geringen Abfindungsbetrag führen. Dieser geringe Betrag mag zwar angemessen sein. Der Mitarbeitende hat dann aber wenig zu verlieren und könnte das Risiko eines Kündigungsrechtsstreits eingehen. Hier könnte es sich für Sie lohnen, das Angebot etwas zu erhöhen und die Angelegenheit schnell zu beenden.

Im Gegenzug kann die Faustformel bei Mitarbeitern mit sehr langer Betriebszugehörigkeit dazu führen, dass sich ein unangemessen hoher Abfindungsbetrag ergibt. Dies gilt vor allem dann, wenn Ihr Mitarbeiter kurz nach seinem Ausscheiden eine Altersrente beziehen und den Zeitraum bis dahin mit dem Bezug von Arbeitslosengeld überbrücken kann. Bei wirtschaftlicher Betrachtung gibt es hier keine Veranlassung für eine Abfindung, die über einen Nettoausgleich hinausgeht. 

Längere Kündigungsfrist statt höhere Abfindung

Denkbar ist, dass Sie freiwillig eine längere Kündigungsfrist einhalten und den Arbeitnehmer bezahlt freistellen. Für den Mitarbeiter kann dies von Vorteil sein, da er sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus neu bewerben kann. Für Sie als Arbeitgeber hingegen wird es in aller Regel nicht von Bedeutung sein, ob Sie für einen längeren Zeitraum Gehalt oder eine höhere Abfindung zahlen. Zu beachten ist nur, dass Abfindungen nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Sowohl Sie als Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer sparen somit rund 20 Prozent, wenn eine Abfindung und keine Vergütung gezahlt wird. Das sollten Sie in Ihrer Kalkulation berücksichtigen.

Längere Kündigungsfrist und Sprinterklausel

Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine längere Kündigungsfrist, wird dies häufig mit einer Sprinterklausel kombiniert. Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis dann auf seinen Wunsch schon vorzeitig beenden. Das bietet sich beispielsweise an, wenn der Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat. Sein Abfindungsanspruch erhöht sich dann um die Monatsgehälter, die aufgrund seines vorzeitigen Ausscheidens nicht mehr zur Auszahlung kommen. Verhandlungssache ist, ob diese Gehälter in voller Höhe oder nur anteilig als Abfindung gezahlt werden. 

Angebot einer Outplacement-Beratung

Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wird neben der Abfindung immer auch das Arbeitszeugnis thematisiert. Häufig sind Arbeitnehmer auch an einer Outplacement-Beratung interessiert, deren Kosten der Arbeitgeber tragen soll. All diese Punkte sind letztlich zu einem Gesamtpaket zu schnüren. Sind Sie als Arbeitgeber in anderen Punkten zu Zugeständnissen bereit, kann dies im Gegenzug zu einer niedrigeren Abfindung führen.

Unser Tipp

Erhalten Sie Neuigkeiten aus der Welt der Workforce Transformation, Denkanstöße und neue Perspektiven für Personalumbau, Trennungsmanagement und die Arbeitswelt von morgen.

Tipps für die Verhandlung der Abfindungshöhe

Prüfen Sie im Vorfeld, welche Leistungen Sie anbieten können 

Bevor Sie die Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer aufnehmen, müssen Sie zunächst für sich prüfen, zu welchen Leistungen Sie im Rahmen einer gütlichen Einigung insgesamt bereit sind. Von zentraler Bedeutung hierfür ist die Frage, ob Sie das Arbeitsverhältnis auch einseitig durch eine Kündigung und damit ohne Zahlung einer Abfindung beenden könnten. 

Machen Sie sich auch Gedanken über alternative Wege

In den Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer gilt es, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Fordert Ihr Mitarbeiter eine unangemessen hohe Abfindung, müssen Sie sich Gedanken über alternative Wege machen. Haben Sie die Kündigung noch nicht ausgesprochen, können Sie dies jetzt nachholen und damit den Druck auf den Arbeitnehmer erhöhen. Spätestens jetzt wird Ihrem Mitarbeiter bewusst, dass Sie es ernst meinen. Vor allem aber ist er gezwungen, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Das führt vielfach dazu, dass sich der Mitarbeiter innerlich vom Unternehmen trennt und eine Rückkehr an den Arbeitsplatz für sich ausschließt. Dies kann die Chancen auf eine gütliche Einigung erhöhen. Sie können sich aber auch erst einmal passiv verhalten, wenn der Mitarbeiter das Gefühl vermittelt, nur noch an einer Abfindung und nicht mehr an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses interessiert zu sein. Der Arbeitnehmer wird dann möglicherweise überrascht davon, dass die schon sicher geglaubte Abfindung wieder in weite Ferne rückt.

Wann es sinnvoll sein könnte, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anzubieten 

Hat der Arbeitnehmer bereits eine Kündigungsschutzklage erhoben und scheitern auch die Vergleichsverhandlungen vor Gericht, kann es taktisch sinnvoll sein, dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anzubieten. Sie können ankündigen, aus der Kündigung des Mitarbeiters keine Rechte mehr herzuleiten bzw. die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichtes hinzunehmen. Zwar würden Sie als Arbeitgeber, der eine Kündigung ausgesprochen hat, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumeist ablehnen. Der gekündigte Mitarbeiter will aber in aller Regel auch nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren und sieht nun für sich die Gefahr, keine Abfindung zu erhalten. Allerdings sollten Sie sich über die Interessenlage des Arbeitnehmers sicher sein, bevor Sie so handeln. Auch wenn die weit überwiegende Zahl aller Kündigungsschutzprozesse durch Vergleich endet, gibt es immer wieder Arbeitnehmer, die jedes Abfindungsangebot ablehnen. Daher bedarf es einer genauen Risikoabschätzung im Einzelfall.

Die Ausnahmen: Gesetzlicher Anspruch auf Abfindung

Eine Ausnahme bilden zwei Vorschriften des Kündigungsrechts, die dem Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung einräumen. Hierbei handelt es sich zum einen um § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Zum anderen kann sich ein Anspruch auf eine Abfindung aus den §§ 9, 10 KSchG ergeben. 

 

§1A Kündigungsschutzgesetz (KSCHG)

Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitnehmer eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes pro Beschäftigungsjahr verlangen, wenn Sie als Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, sich schon in der Kündigungserklärung zur Zahlung der Abfindung bereit erklären und der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhebt. 

Diese Vorschrift wurde im Jahr 2004 neu ins Gesetz aufgenommen und sollte nach der Intention des Gesetzgebers eine einfach zu handhabende und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess darstellen. Dieses Ziel wurde aber verfehlt, da Arbeitgeber von dieser Möglichkeit fast nie Gebrauch machen. Der Grund dafür erschließt sich schnell. Bieten Sie als Arbeitgeber die Abfindung schon in der Kündigungserklärung an, geben Sie das Heft aus der Hand. 

Der Arbeitnehmer kann die Abfindung entweder akzeptieren oder Kündigungsschutzklage erheben und versuchen, eine noch höhere Abfindung herauszuhandeln. Zwar kann es dem Arbeitnehmer passieren, dass Sie als Arbeitgeber dann vor Gericht nicht mehr zur Zahlung einer Abfindung bereit wären. Das ist aber relativ unwahrscheinlich. Denn wären Sie von Anfang an von der Wirksamkeit Ihrer Kündigung überzeugt gewesen, hätten Sie gleich eine Kündigung ohne Abfindungsangebot erklärt.

 

Anspruch auf Abfindung nach §§ 9, 10 KSCHG

Diese Vorschriften kommen sehr selten zur Anwendung, da sie einen ungewöhnlichen Fall regeln: 

Können sich die Parteien in einem Kündigungsschutzprozess nicht gütlich einigen, muss das Gericht durch Urteil entscheiden. Ist die Kündigung des Arbeitgebers unwirksam, stellt das Gericht das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses fest. Gelangt das Gericht aber dessen ungeachtet zu der Erkenntnis, dass den Parteien eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich ist, kann es das Arbeitsverhältnis auf Antrag einer der Parteien auflösen und eine Abfindung festsetzen. 

Dieses Ergebnis mutet auf den ersten Blick widersprüchlich an. Wenn die Kündigung unwirksam ist, ist das Arbeitsverhältnis gerade nicht aufzulösen. Die Vorschriften kommen daher nur ausnahmsweise zum Tragen, wenn sich die Parteien beispielsweise im laufenden Kündigungsschutzprozess völlig zerstreiten. Dieser Streit spielt für die Kündigung, die schon vorher aus ganz anderen Gründen ausgesprochen wurde, keine Rolle. Er kann aber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich machen. 

Die dann vom Gericht festzusetzende Abfindung beträgt – gestaffelt nach dem Lebensalter und der Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters – bis zu 18 Monatsverdienste. Bei der Festsetzung der Abfindungshöhe steht dem Arbeitsgericht ein Ermessen zu, was für beide Parteien misslich sein kann. 

In der Praxis steigt daher die Vergleichsbereitschaft, wenn das Gericht andeutet, das Arbeitsverhältnis möglicherweise aufzuheben. Aus diesem Grunde kann es taktisch sinnvoll sein, einen Antrag nach §§ 9, 10 KSchG zu stellen. Eine echte Alternative können die §§ 9, 10 KSchG in Streitfällen mit leitenden Angestellten sein. Das Kündigungsschutzgesetz findet auch auf diese Mitarbeiter Anwendung, so dass auch leitende Angestellte gegen ihre Kündigung klagen können. Wollen Sie sich aber unter allen Umständen von einem leitenden Mitarbeiter trennen, können Sie einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG stellen und müssen diesen – anders als bei anderen Arbeitnehmern – nicht gesondert begründen. Damit können Sie sich letztlich in jedem Falle von einem leitenden Angestellten trennen. Sie sind im Gegenzug jedoch verpflichtet, die vom Arbeitsgericht festgesetzte Abfindung zu zahlen.

Ähnliche Inhalte

10 Praxistipps für die Gestaltung von Aufhebungsverträgen

Was gehört in einen guten Aufhebungsvertrag? Im Leitfaden gibt Rechtsanwalt Boris Blunck zehn Praxistipps für die Gestaltung von Aufhebungsverträgen.

right arrow

Abwicklungsvertrag

Abwicklungsvertrag vs. Aufhebungsvertrag: Wo liegt der Unterschied und worauf müssen Sie achten? Das Wichtigste ist in unserer Checkliste zusammengefasst.

right arrow