Ein Interview mit Attila Khan
Im Personalabbau haben Unternehmen in den letzten Jahren Aufhebungsvereinbarungen mit hohen Abfindungen sowie Vorruhestandsmodelle eingesetzt, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Aufgrund der umfassenden Transformation in Unternehmen, im Zuge derer in bestimmten Bereichen völlig neue Mitarbeiter-Profile benötigt werden, können sich Unternehmen diese Regelungen immer weniger leisten und benötigte Kompetenzen stehen am Arbeitsmarkt oftmals nicht zur Verfügung. Die Unternehmen werden nicht umhin kommen, statt Personal auszutauschen die vorhandene Belegschaft für die anstehenden Aufgaben zu qualifizieren. Attila Khan gibt einen Überblick über die bevorstehenden Veränderungen und Maßnahmen.
Attila Khan: Bei einer Restrukturierung müssen sich Unternehmen oft von einer größeren Anzahl von Mitarbeitern trennen. Wer Mitarbeiter zum Verlassen des Unternehmens motivieren will – wir sprechen hier von Mobilisierung – muss gute Angebote schnüren. Attraktive Aufhebungsvereinbarungen sind Angebote, die den Beschäftigten gute Perspektiven für die berufliche Zukunft bieten. So lassen sich betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. Auch die Zahl der Kündigungschutzklagen lässt sich so reduzieren. Hinzu kommt, dass Trennungsprozesse eine große Auswirkung auf das Arbeitgeber-Image bei den verbleibenden Beschäftigten, aber auch potenziellen Bewerbern haben. Durch faire Aufhebungsvereinbarungen vermeiden Unternehmen einen Imageverlust als attraktiver Arbeitgeber.
Attila Khan: Nach meiner Erfahrung nehmen fast alle Mitarbeiter, die bei einer Aufhebung ein Vorruhestandsmodell angeboten bekommen, das Angebot an. Sogenannte Airbag-Modelle sind noch attraktiver als das der Altersteilzeit, da die Mitarbeiter nicht noch die Hälfte ihrer Arbeitszeit bis zur Rente arbeiten müssen. Im Rahmen dieser Modelle treten rentennahe Mitarbeiter aus dem Unternehmen aus und bekommen 75-80 Prozent ihres Nettogehalts garantiert.
Der Bedarf an Qualifizierung wird in den Unternehmen immer größer.
Attila Khan: Der Bedarf an Qualifizierung wird in den Unternehmen immer größer. Es ist nicht mehr so einfach, neues Personal an Bord zu holen, da gerade durch Faktoren wie die Digitalisierung oder demografischer Wandel Profile am Markt gefragt sind, die sich sehr ähneln. Im Wettbewerb steht man dementsprechend neben vielen anderen Unternehmen, welche potenzielle Mitarbeiter vielleicht mit anderen Konditionen locken können als das eigene Unternehmen. Aufgrund dessen wird es immer wichtiger, das vorhandene Personal zu entwickeln und Qualifizierungs -und Weiterbildungsmodule anzubieten. Um diese optimal aufzusetzen, müssen Unternehmen analysieren:
Wichtig ist, dass Unternehmen wirklich zuerst die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter analysieren und darauf aufbauend wahrhafte Angebote für neue Qualifikationen schaffen, die realistisch erreichbar sind. Man kann nicht aus jedem Mitarbeiter einen Softwareentwickler oder einen Digitalisierungsexperten machen.
Attila Khan: Das kommt immer auf den Einzelfall an. Macht man eine Vergleichskostenrechnung, muss man sich überlegen, was einem eine Trennung und ein Recruiting kostet in Opportunität mit den Kosten der Entwicklung eines Mitarbeiters. Selbstverständlich sind fachlich entwickelte Mitarbeiter in ihren Bereichen größere Experten als neu angelernte, dennoch wird in meinen Augen oft die Notwendigkeit der Fachexpertise überschätzt und die Tätigkeiten können auch von neu angelernten Mitarbeitern gut ausgeübt werden. Diese Aussage trifft natürlich nicht auf alle Bereiche und Funktionen zu, bei vielen Stellen ist das Expertentum essenziell, wie beispielsweise in sehr technisch oder wissenschaftlich angelegten Bereichen, wo man sich nicht in zwei Jahren den Beruf anlernen kann.
Attila Khan: Zunächst ist es wichtig, sich auch mit dem Betriebsrat abzustimmen, wenn man eine Mitbestimmung vor Ort hat. Der Betriebsrat kann und sollte im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten zur Personal -und Qualifizierungsplanung mit Vorschlägen zur Durchführung unterstützen. Gerade für junge Familien mit Kindern und älteren Mitarbeiter die oft Ihre Eltern pflegen, benötigen besondere Bedingungen. Hier ist der Betriebsrat ein kompetenter Partner, auch in Hinsicht der Einhaltung und Durchsetzung des Datenschutzgesetzes können Betriebsräte unterstützen.
Attila Khan: Es gibt Methoden, die dabei helfen, herauszufinden, welche Mitarbeiter für eine Umqualifizierung infrage kommen: Personalentwicklungstools, verschiedene Softwares, interviewgestützte Möglichkeiten oder durch Selbsteinschätzung des Mitarbeiters kann darüber ein Überblick geschaffen werden, welche Perspektiven der Mitarbeiter hat. Im optimalen Fall sollten dafür digitale Systeme eingebettet werden. Falls diese bisher im Unternehmen nicht vorhanden sind, stehen dafür spezielle Systeme am Markt zur Verfügung.
Für die Qualifizierung der Mitarbeiter gibt es fachliche Qualifikations-Einrichtungen, wie beispielsweise verschiedenste Bildungsträger, die solche Umschulungen durchführen. Darüber hinaus gibt es Einrichtungen, die halbjährige oder einjährige Programme anbieten. Die Qualifizierung funktioniert dann ganz klassisch, wird aber mit dem individuellen Unternehmen abgestimmt, da in vielen Fällen die betroffenen Personen noch einen Job ausüben.
Unternehmen sollten über einen Qualifizierungsbetrieb nachdenken.
Unternehmen sollten an diesem Punkt über einen Qualifizierungsbetrieb nachdenken. Damit ist eine organisatorische Einheit im Unternehmen gemeint, bei der sich der Mitarbeiter für z.B. sechs Monate ausschließlich auf seine Qualifizierung konzentriert, d.h. in dieser Zeit ist er von seiner operativen Aufgabe freigestellt. Ein weiterer Vorteil: Für den Einsatz von Qualifizierungsbetrieben gibt es Fördermittel vom Staat durch das Qualifizierungschancengesetz und das Arbeit-von-morgen-Gesetz.
Leseempfehlung: Immer mehr Unternehmen setzen sich in Restrukturierungsprozessen auch mit dem Instrument des Qualifizierungsbetriebs auseinander. Warum Qualifizierungsbetriebe ein smartes Mittel sind, um die Workforce Transformation effektiv zu gestalten und die zukünftige Zielorganisation umzusetzen, erfahren Sie in diesem Beitrag von Christian Summa: >Smarte Transformation durch Qualifizierungsbetriebe
Attila Khan: Solang der Mitarbeiter sich selbst intensiv damit beschäftigt, in welchem Bereich er arbeiten möchte und welche Art der Qualifizierung zu ihm passt, entwickelt er sich intuitiv als Arbeitskraft und erhöht somit die eigene Employability, indem er sich nicht vom Arbeitsplatz abhängig macht. Genau diese Stärkung der eigenen Employability sollte auch im Interesse des Betriebsrates sein. Der Fokus soll nicht darauf gerichtet werden, alle Stellen im Unternehmen zu halten, sondern die potenziellen Mitarbeiter so früh wie möglich in Qualifizierungs-Schleifen zu bringen, damit sie vorbereitet sind auf alle Eventualitäten, die in ihrem Berufsleben auf sie zukommen könnten. Der Betriebsrat trägt eine gesellschaftliche Verantwortung, um gerade geringqualifiziere Mitarbeiter ohne Ausbildung für die Zukunft im digitalen Zeitalter zu unterstützen, zu beraten und zu motivieren.
Attila Khan: Wir erleben, wenn Qualifizierung vom Betriebsrat oder den Gewerkschaften eingefordert wird, dass Mitarbeiter Mitte/Ende 50 eher zaghaft sind, was die Annahme solcher Qualifizierungs-Angebote angeht. In vielen Konzernen stellt sich bei dem betroffenen Mitarbeiter dann die Einstellung ein, lieber nochmal ein paar Jahre zu warten und sich nicht mehr neu zu qualifizieren. Die Betroffenen haben oft in solchen Situationen Probleme, zu akzeptieren, dass ein jüngerer Kollege einem auf einmal vorgesetzt ist und vielleicht sogar die Tätigkeiten besser ausübt als man selbst. Das ist aber natürlich nicht bei allen der Fall, viele erleben das neue Lernen und neue Aufgaben noch einmal als Chance. Beschäftigte im Alter von 40+ haben keine andere Wahl als die Maßnahmen anzunehmen. Der Weg in die Rente ist für sie noch zu weit weg.
Attila Khan: Motivation ist immer eine Frage des Push und Pulls. Push bedeutet, dass die verantwortlichen Personen der Belegschaft ihre Perspektiven deutlich machen müssen. Den Mitarbeitern muss deutlich kommuniziert werden, welche Position mit welchen Fähigkeiten welche Dauer haben wird. Pull bedeutet in dem Zusammenhang, attraktive Qualifizierungs-Angebote zu schaffen mit einer Perspektive für die Zukunft. Die Mitarbeiter müssen erkennen, welche Position hinter welchen Aufgaben steckt und welcher Karriere- und Entwicklungspfad zukünftig möglich ist. Darauf aufbauend muss zwingend von der Unternehmensseite überprüft werden, ob die neuen Aufgabenfelder auch mit den Vorstellungen des Mitarbeiters übereinstimmen.
Wenn das nicht der Fall ist, werden neue Alternativen gesucht, auch außerhalb der Organisation, sodass dem Mitarbeiter in jedem Fall eine attraktive Perspektive geboten wird. Genau diese Perspektiven-Gestaltung sorgt dafür, dass die Motivation der Belegschaft für Qualifizierungs-Maßnahmen steigt.
Über den Autor
Attila Khan
Attila Khan berät als Managing Consultant bei von Rundstedt gemeinsam mit seinem Team Firmenkunden in Berlin und den östlichen Bundesländern. Er kennt die Herausforderungen des Personalmanagements aus seiner Tätigkeit im Human Resources Bereich eines bayerischen Automobilkonzerns. Seit 2012 berät er das Management und HR-Verantwortliche von Unternehmen zu personalstrategischen Themen wie Restrukturierung, Redeployment und Change Management.
Telefon: +49 0 30 31 10 24-38 E-Mail: khan@rundstedt.de
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