Deutsche Großunternehmen stehen unter verstärktem Wettbewerbsdruck. Während sich das Management seit Jahren um die Anpassungen der Geschäftsmodelle kümmert, fehlen die Lösungen, um das Personal entsprechend der neuen Anforderungen zu verändern. Die Transformationseinheit bietet einen Ansatz, Business- und Personaltransformation zusammenzudenken.
Definition: Was ist eine Transformationseinheit?
Eine Transformationseinheit ist eine innerbetriebliche Überhangeinheit, in die Mitarbeitende eintreten, deren Arbeitsplatz sich verändert. Ihr Arbeitsvertrag bleibt unangetastet. Ziel ist es, Beschäftigte in einem definierten Zeitraum auf eine neue Aufgabe vorzubereiten, zu qualifizieren und zu vermitteln. Die innerbetriebliche Fördermaßnahme über das Qualifizierungsgeld nach §82a SGB III unterstützt.
Die Transformationseinheit ermöglicht es Unternehmen, Geschäftsstrategien kurz- bis mittelfristig anzupassen und gleichzeitig die notwendige Zeit für die Personaltransformation einzuräumen. Ein Muss, um im dynamischen Geschäftsumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben.
Strategische Workforce Transformation für eine zukunftsfähige Belegschaft
Verzahnung von Business und Personalstrategie
Der Faktor Personal wird immer mehr zum Wettbewerbsvorteil bis hin zum Geschäftsrisiko. Fast jedes Unternehmen passt die eigenen Geschäftsstrategien an hiesige Marktbedingungen an oder plant für kommende Jahre eine mittlere bis große Business-Transformation. Der Erfolg dieser Maßnahmen wird maßgeblich davon abhängig sein, den Personalkörper so aufzustellen, dass die passenden Kompetenzen im Unternehmen vorhanden und richtig eingesetzt sind.

Von der Ist- zur Zielorganisation
Im Abgleich mit der Unternehmensstrategie, müssen Management und HR ein klares Bild davon haben, welche Fähigkeiten und Kompetenzen in der Zielorganisation benötigt werden. Über eine Strategische Personalplanung lassen sich aktuelle und zukünftige Über- und Unterdeckungen identifizieren. Auf dieser Basis erkennen Unternehmen Personallücken frühzeitig und können Rekrutierung-, Reskilling-, Retention- und Trennungsmaßnahmen ableiten. Skill-Gap-Analysen zeigen, welche Veränderungswege für einzelne Mitarbeitende oder spezifische Jobprofile konkret infrage kommen.
Transformationseinheit: Personaltransformation nachhaltig gestalten
Entkopplung von Betrieb und Belegschaft
Veränderungen in der Belegschaft benötigen Zeit. Das liegt zum einen daran, dass erforderliche Betriebsvereinbarungen verhandelt werden müssen. Zum anderen müssen die Veränderungsoffenheit und -fähigkeit bei den Mitarbeitenden entwickelt werden.
Es empfiehlt sich deshalb, die Transformationsprozesse über eine Transformationseinheit zu entkoppeln. Das bedeutet: Der Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleibt bestehen, während sich der Arbeitsplatz des Mitarbeitenden verändert und er oder sie in die Transformationseinheit wechselt.

Definition des Überhangs
Welche Arbeitnehmenden in die Transformationseinheit eintreten, hängt davon ab, wie gut das Kompetenzprofil mit den benötigten Qualifikationen in der Zielorganisation zusammenpasst. Deckt sich das Kompetenzprofil mit dem Bedarf der Organisation, können Mitarbeitende direkt auf neue Stellen intern vermittelt werden. Fehlen nur einzelne Soft- oder Hard-Skills, kann nach einem punktuellen Up-Skilling die Vermittlung starten.
Ist die Lücke zwischen Bedarf und Kompetenzprofil größer, erhalten Mitarbeitende in der Transformationseinheit intensive Unterstützung, um sich für interne Stellen umzuqualifizieren oder auf dem externen Arbeitsmarkt eine neue Aufgabe zu finden.

Transformationseinheit vs. Transfergesellschaft
Beim Wechsel in die Transformationseinheit sind die Mitarbeitenden von ihren bisherigen Aufgaben freigestellt. Ihre neue Aufgabe ist es, sich mit der Unterstützung des Arbeitgebers und spezialisierten Coaches, die auf die berufliche Neuorientierung spezialisiert sind, auf eine neue Aufgabe vorzubereiten – ähnlich wie in einer Transfergesellschaft. Es gibt jedoch sehr wichtige Unterschiede zwischen den beiden betriebsorganisatorischen Einheiten.
Transformationseinheit | Transfergesellschaft | |
---|---|---|
Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen |
Mitarbeitende bleiben beim Arbeitgeber im sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnis Die Bedingungen des Arbeitsvertrages bleiben unangetastet |
Mitarbeitende wechseln in ein sozialversicherungspflichtiges Anstellungsverhältnis mit dem Transferanbieter, z.B. die Rundstedt Transfer GmbH Mitarbeitende erhalten Transferkurzarbeitergeld |
Ziele | Mitarbeitende finden auf dem internen oder externen Arbeitsmarkt eine neue Perspektive | Mitarbeitende werden auf den externen Arbeitsmarkt vermittelt |
Rolle HR | HR ist weiterhin erste Anlaufstelle für die Mitarbeitenden | Das JobBüro kümmert sich um alle HR-Belange, Urlaub, Krankmeldungen, Arbeitsvertrag |
Fördermittel | Qualifizierungsgeld: Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt die Kosten für das Nettoentgelt für die Mitarbeitende (60 bzw. 67 % des ehemaligen Nettoentgelt) | Transferkurzarbeitergeld: Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt die Kosten für das Nettoentgelt für die Mitarbeitenden (60 bzw. 67 % des ehemaligen Nettoentgelt) |
Tipp: Nutzen Sie unsere Checkliste, um zu prüfen, ob Ihre Transfermaßnahme förderfähig ist
Checkliste: Staatliche Förderung von Transfermaßnahmen
Veränderungswege gestalten und begleiten
Qualifizierung & Vermittlung
Die zwei wichtigsten Instrumente in der Transformationseinheit sind Qualifizierung und Vermittlung.
Um Mitarbeitende auf die Anforderungen der neuen Stellen und Aufgaben vorbereiten zu können, bedarf es diverser ziel- und ergebnisorientierter Qualifizierungsmaßnahmen. Dafür benötigen Unternehmen Transparenz über die Kompetenzprofile ihrer Belegschaft sowie die Kompetenzprofile der neuen Stellenprofilen. Erst, wenn beide Elemente ausreichend differenziert erhoben und abgeglichen sind, können sinnvolle und passgenaue Qualifizierungsmaßnahmen aufgesetzt werden.
Gleichzeitig müssen HR und Führungskräfte Besetzungs- und Vermittlungsaktivitäten anstoßen, um Mitarbeitende auf die neuen Stellen zu platzieren. Es empfiehlt sich, hierfür transparente und professionelle Verfahren zu etablieren.
Skill-Matching
Ein ganzheitliches Skill-Matching, das Soft- und Hard-Skills berücksichtigt und von HR sowie den suchenden Führungskräften organisiert wird, ermöglicht die Einsteuerung von zielorientierten Qualifizierungs- und Vermittlungsmaßnahmen. Es ist die Basis, um für die Zielorganisation die richtigen Mitarbeitenden mit den richtigen Fähigkeiten auf die richtigen Positionen zu bringen.
Mobilisierung
Eine individuelle Begleitung der Arbeitnehmenden in der Überhangeinheit fördert die Akzeptanz der Veränderungswege bei den Mitarbeitenden und erhöht die Veränderungsdynamik in der Workforce Transformation. Passende Maßnahmen sind neben einer strategischen Kommunikation zum Beispiel Perspektivenberatungen und Gruppen-Workshops. Enorm wichtig sind zudem Trainings für die Führungskräfte und sofern vorhanden die Betriebsratsmitglieder.
Erfolgsfaktoren der Transformationseinheit
Eine Transformationseinheit schafft Handlungsspielraum für die notwendige Business Transformation. Folgende Faktoren stellen sicher, dass die personalwirtschaftlichen Ziele in Zeit und Budget sowie rechtssicher erreicht werden.
Klares Zielbild
Entscheidend ist, dass Management und HR wissen, wie die zukunftsfähige Organisation aussehen soll. Also welche Mitarbeitenden mit welchen Kompetenzen im Unternehmen gebraucht werden. Hierauf bauen die Ziele der Transformationseinheit auf: Wie viele Mitarbeitende werden für neue Aufgaben im Unternehmen gebraucht? Welche sollen für andere Jobprofile qualifiziert werden? Und wie viele müssen auf dem externen Arbeitsmarkt vermittelt werden?


Kommunikation und Stakeholdermanagement
Veränderungen in der Belegschaft sind immer sensibel. Entscheidend ist deshalb, dass das Management, Personalverantwortliche und die Mitbestimmung harmonisiert die gleichen Botschaften senden. Dafür ist es zwingend notwendig, eine Kommunikationsstrategie im Rahmen des Change Managements aufzusetzen und alle Beteiligten frühzeitig ins Boot zu holen. Nur so gelingt es, die Mitarbeitenden für die Veränderung zu gewinnen und möglichem Widerstand entgegenzuwirken.
Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit
Am Ende wird der Erfolg der Transformationseinheit daran gemessen, ob es gelungen ist, alle Mitarbeitenden aus dem Überhang für neue Aufgaben zu qualifizieren und / oder zu vermitteln. Mit dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes ist es die Aufgabe von HR und ausgebildeten Career Coaches, die Offenheit und Fähigkeit für die individuelle Veränderung zu fördern. Ein dezidierter Plan, der zum Beispiel Gruppen-Workshops, Gespräche mit Führungskräften, Markt-Checks und Einzel-Coachings enthält, ist unumgänglich. Die Mitarbeitenden reflektieren ihre persönlichen Wünsche und entdecken neue, zukunftsfähige Perspektiven.
Projektmanagement
Für die Gründung und Durchführung einer betriebsorganisatorischen Einheit empfiehlt es sich, ein gesondertes Projekt-Team aufzusetzen, das von externen Coaches und HR-Consultants unterstützt wird. Gemeinsam ist es die Aufgabe, Trainings, Einzel-Gespräche, Kompetenzanalysen und Qualifizierungsangebote zu konzipieren, zu orchestrieren und durchzuführen. Entsprechend wichtig, sind eine funktionierende IT-Infrastruktur und eine umfassende Datenlage.
Arbeitsrechtliche Besonderheiten
Der Zweck einer Transformationseinheit beruht darauf, dass Mitarbeitende ihren Arbeitsplatz verlassen, während ihr Arbeitsvertrag bestehen bleibt. Hiermit sind arbeitsrechtlichen Besonderheiten verbunden, die je nach Fall spezifische Implikationen haben. Unternehmen sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen deshalb unbedingt mit einer Arbeitsrechtsberatung schon bei Planung der Maßnahme besprechen und diese in der Verhandlung mit dem Betriebsrat berücksichtigen.

Fazit
Mittlere bis große Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle anpassen wollen, müssen sich mehr denn je damit auseinandersetzen, wie sie ihre Belegschaft für die neue Ausrichtung fit machen. Eine Transformationseinheit bietet eine sehr gute Möglichkeit, die Workforce Transformation ganzheitlich zu gestalten und Maßnahmen für Personalaufbau, -umbau und -abbau integriert zu gestalten. Wenn Management, HR, Mittbestimmung und Führungskräfte hierfür an einem Tisch sitzen, profitieren Mitarbeitende und Unternehmen von zukunftsfähigen Perspektiven.
Über den Autor

SENIOR CONSULTANT
Jochen Feindt ist Senior Consultant bei von Rundstedt. Er begleitet Unternehmen, wenn Personal verändert und abgebaut werden muss. Seine Karriere begann Jochen Feindt bei der Bank für Gemeinwirtschaft AG und war Mitglied in der Gewerkschaft HBV. Nach seinem BWL-Studium hatte er diverse Fach- und Führungsfunktionen in Beratungsunternehmen inne. Unter anderem war er auch Betriebsrats-Vorsitzender in der deutschen Länderorganisation eines amerikanischen Konzerns und musste in dieser Funktion einen Personalabbau verhandeln.